 |
|
Wer hätte das gedacht! Seit sich ein gewisses Paar Lautsprecher
in Unserem Hörraum befindet, ist dieser ständig bevölkert. Nicht nur, daß die Kollegen
Redakteure immer wieder andere CDs neu entdecken wollen, nicht nur, daß sich auch die
Mannschaft aus dem Meßlabor auffallend oft zu "informativen" Hörsitzungen
einfindet, nein selbst weniger HiFi-infizierte Verlags-Kollegen haben inzwischen Wind
davon bekommen, daß es im STEREO-Hörraum neuerdings eine echte Klangoffenbarung zu
bewundern gibt. Die Rede ist von Acapellas "Campanile", einer hochkarätigen
Standbox, die durch Säulenform und 2,40 Meter Höhe durchaus an einen italienischen
Glockenturm erinnert. Meine persönlichen Assoziationen gehen dabei noch weiter gen
Süden, nämlich zu arabischen Minaretten, die ja zur weiten Verbreitung der
Glaubensbotschaften mit Schalltrichtern ausgerüstet sind. |
Doch damit ist die Verwandtschaft auch schon beendet, denn mehr als das Prinzip
haben die arabischen Blechtröten mit dem extrem aufwendig gefertigten Mitteltonhorn der
Campanile nicht gemein. Muß ja auch so sein, da sonst wohl kaum jemand 56000 Mark für
ein einziges Paar Boxen bezahlen würde. Der Test stammt von Joachim Pfeiffer, berichten
werden wir Ihnen über die Campanile aber sicher noch öfter, denn sie soll uns bis auf
weiteres als Arbeitsgerät zur Verfügung stehen. Und das ermöglicht uns Redakteure nicht
nur mehr Spaß bei den Hörtests, sondern verhilft Ihnen, liebe Leser, auch zu
differenzierten Ergebnissen.
Übrigens: Wenn sie Joachim Pfeiffer einmal anrufen wollen, dann lassen
Sie sich am besten gleich zum Hörraum durchstellen.
HÖREN IM
VERHÄLTNIS 1:1

Sie sind Autoliebhaber? Und träumen womöglich davon, einmal
in Ihrem Leben einen Ferrari zu fahren oder gar zu besitzen? Leider steht dieser
ultimative Spaß in einem geradezu fatalen Zusammenhang mit einem prall gefüllten
Bankkonto. Was dazu führt, daß diese Autos vornehmlich in Vitrinen zu finden sind.
Und zwar im Maßstab 1:43. Auch die Campanile ist kein
x-beliebiger Lautsprecher, sondern gehört in der HiFi-Szene in die
"Ferrari-Kategorie". Sie wurde geschaffen, um Musik so abzubilden, wie es immer
sein sollte: Im Maßstab 1:1.Allein der Aufwand, den das Duisburger
HiFi-Traditionsunternehmen Acapella trieb, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, kann
sich sehen lassen. Beispielsweise mit den Ionenhochtönern, die Acapella selbst fertigt.
Nun sind Ionenhochtöner an sich nichts Neues. Die Telefunken-Erfindung datiert immerhin
aus den zwanziger Jahren. Aber in der HiFi-Welt konnten sich die aufwendigen Wandler, die
mittels eines Lichtbogens Luft ionisieren und somit ohne bewegte Masse Schall erzeugen,
nicht durchsetzen. Nur Acapella und Otto Braun aus Saarbrücken halten an dem Prinzip
fest, wenn auch der Braunsche Coronatreiber schlicht einfacher gestrickt ist.
Die Duisburger verstärken das Eingangssignal über eine eingebaute
Class-A-Treiberstufe, deren Bestückung wahrhaft vom Feinsten ist. Aus bestem HF-Material
sind beispielsweise die Platinen. Sie stammen von der Renommierfirma Hartmann und Braun
und werden dort in der alten Meßgerätefertigung produziert. Daß dies seinen Preis hat,
darf - wie gesagt - niemand verwundern.
Da der Wirkungsgrad des Lichtbogenwandlers eher dürftig ist, muß ihm zur
Verstärkung ein Horn verpaßt werden. Acapella gönnt dem TW 1 S eins aus purer Bronze -
aus dem Vollen gedreht, versteht sich. Nun rümpfen viele HiFi-Enthusiasten beim Stichwort
Ionenhochtöner dennoch die Nasen. Besser könne man Frequenzen oberhalb von fünf
Kilohertz zwar nicht abstrahlen, bestätigen sie, aber das austretende Ozon störe doch
gewaltig. Richtig und unumstritten ist, daß das Gas bei Erzeugung des Lichtbogens
freigesetzt wird. Im Fall des ION TW I S erfüllt allerdings ein Keramikröhrchen
unmittelbar vor dem Bronzehorn die Funktion eines Katalysators. Es verhindert absolut
zuverlässig den Austritt des umweltschädigenden Stoffes.

Von den Höhen zu den Mitten und weiter mit Faszination pur. Ähnlich dem
Ionenhochtöner, der ja überhaupt keine Masse in Bewegung zu setzen hat, erfüllt das
asphärische Mitteltonhorn eine vergleichbare Aufgabe. Hinter dem sitzt zwar ein
herkömmliches 54er Dynaudiochassis, das Horn verstärkt allerdings dessen Schallausbeute
um stattliche zehn dB. Und das bei gleichbleibender Membranfläche. Schwierig? Auf den
ersten Blick sicher nicht, in der Praxis aber gehörig. Das Horn muß exakt berechnet
werden, sonst drohen typische Verfärbungen. Die kennen Sie auch aus dem Alltag. Wenn Sie,
um sich Gehör zu verschaffen, Ihre beiden Hände zu einem Trichter formen, an den Mund
legen und rufen. Sie werden lauter, aber Ihre Stimme verfärbt nasal.

Das sogenannte Kugelwellenhorn aus resonanzarmem Glasfaserkunststoff von Acapella
klingt keineswegs verschnupft. Es wurde so geformt, daß das Horn "abbricht",
wenn der Schall die Form einer Halbkugel oder Kalotte erreicht. Apropos geformt:
Natürlich von Hand moduliert, immer wieder geschliffen und poliert - eine überaus
zeitaufwendige Arbeit, die ...sie wissen es ja...ihren Preis haben muß.
Konventionelle Chassis finden sich ausschließlich unterhalb von 600 Kilohertz. Je
vier 26-Zentimetertreiber, die Seas für Acapella fertigt, werkeln in jeweils eigenen,
geschlossenen Gehäusen. Weshalb diese Ansammlung? Zwei triftige Gründe sind zu nennen.
Da einzig der Tiefonbereich ohne verstärkendes Horn auskommen muß, braucht es gehörig
Membranfläche, um entsprechend Schalldruck zu erzeugen. Und: Die Anordnung in
geschlossenen Kammern, unter- und oberhalb der Mittelhochtonhörner, nimmt den Abhörraum
akustisch bestens in den Griff. Lästige Raumresonanzen in den Tiefen werden so geschickt
überlagert, daß sie praktisch bedeutungslos werden.
 |
|
Nur dreigeteilt läßt sich die
formschöne Campanile von einem Ort zum anderen - hier auf dem Weg zum Fotografen -
transportieren. Der Aufbau selbst ist problemlos. Innerhalb einer Stunde ist der
Schallwandler spielbereit. |
|
 |
Wartungsfrei: Trotz seines komplexen
Innenaufbaus mit Röhrenbestückung ist der TW 1S im praktischen Betrieb äußerst
zuverlässig. Revisionsarbeiten sind die Ausnahme |
|
 |
|

Freie Bahn für hohe Töne: Der Lichtbogen ist äußeres Zeichen, daß der
Ionenhochtöner in Funktion ist |
|

Aus dem Vollen gedreht, schwer an Gewicht und frei von Resonanzen: Das
Bronzehorn für den Ionenhochtöner |
|
Vor dem Hörtest noch einige Worte zu den Messungen. Wie erwartet, gab sich die
Campanile keine Blößen. Der Frequenzgang ist mustergültig, die Anpassung der Systeme
ist den Duisburgern hervorragend gelungen. Als einziges Haar in der Suppe könnte das
Impedanzminimum von 3,1 Ohm bei 7600 Hertz stören. Aber Verstärker, die in diesem
Bereich schlapp machen, finden sich sowie nur in Antiquitätenläden oder - wollen wir
nicht ausschließen - in Billigsttürmchen, die sowieso nichts mit HiFi zu tun haben. |
|
|
|
|
|

Kinderleichte Bedienung: Der Pegel des ION TW 1S wird
via Trimmpoti eingestellt; ist der Automatikschalter aktiviert, zündet der Lichtbogen
beim ersten Musiksignal. Zwanzig Minuten nach dem letzten Ton schaltet der Ionenhochtöner
ab |
|
BESSER HAT NOCH KEIN
ANDERER LAUTSPRECHER GESPIELT
|
Was ist das Faszinierende dieses außergewöhnlichen
Lautsprechers? Wer über die Campanile Musik hört, glaubt sich tatsächlich in einer
Konzerthalle. Er wird nicht für möglich halten, daß HiFi so nahe am Original sein kann.
Mit der Campanile steht eine HiFi-Komponente auf dem Prüfstand, die dazu zwingt, sich
über HiFi oder High-End grundsätzliche Gedanken zu machen. Die Kernfrage ist doch, wohin
sich die High Fidelity entwickelt. Es verfälscht das Bild und die Aufgabe von HiFi, wenn
immer mehr datenreduzierte Aufnahmemedien allein die Richtung bestimmen. Hören Sie sich
mal MD oder DCC über die Campanile an. Natürlich erkennen Sie die Musik. Aber wo sind
Körper, Raum und Natürlichkeit? Wie arm ist HiFi eigentlich geworden, wo bleiben
Spannung und Enthusiasmus?
Die Campanile ist eine akustische Lupe, die Klangbilder
absolut naturgetreu wiedergibt. Und das ist nicht immer angenehm. Und zwar deshalb, weil
schlechte Verstärker darüber auch wie schlechte Verstärker klingen. Mit Leistung hat
das nur wenig zu tun. Wir ersuchten kleinste aber gute Endstufen, deren Wattausbeute knapp
über der Meßtoleranz liegt. Höre und staune: Die wirkungsgradstarke und unkritische
Campanile musiziert mit den Wattzwergen livehaftig gut. Kraftvolle Verstärker, die
dynamische Ungereimtheiten aufweisen, an den Rändern ausfransen und es in punkto
Stimmabbildung nicht allzu genau nehmen, geben indes eine klägliche Vorstellung über
diesen ultimativen Schallwandler ab.
|
 |
|
|
Das Kugelwellenhorn zur Verstärkung
mittlerer Frequenzen in voller Pracht. Ohne Klangverfälschung bringt es zehn Dezibel mehr
Wirkungsgrad |

Die allzu oft vernommene Unwahrheit, CD-Spieler klingen alle
gleich, wird mit der Campanile sowieso ad absurdum geführt. Nur wenn sich die Kette das
Etikett HiFi redlich verdient hat, musizierten die Campanile überragend. Das Klangbild
baut sich aus der Tiefe auf, gezupfte oder gestrichene Bässe haben Kontour, sind einfach
authentisch. Stimmen und Instrumente zeichnet der Wandler mit einer Präzision und
Natürlichkeit nach, die ihresgleichen sucht. Die Ausleuchtung der imaginären Bühne und
die glaubwürdige Darstellung feinster Details werden absolut zwingend reproduziert. Und
das nicht nur mit kleinen Ensembles, die Campanile vermag ganze Orchester in den Hörraum
zu zwingen. |
|
Einfach kompromißlos: Auf dieser Platine befindet sich
die aufwendige Spannungsstabilisierung für den ION TW 1S |
|

Mit zwei Kippschaltern auf dem Anschlußterminal läßt
sich der Mitteltonbereich um 0,5 beziehungsweise 1,5 Dezibel absenken |
CAMPANILE - DAS MASS DER DINGE BEI STEREO-HÖRTESTS
|
|
|
|
|
Wer die Augen schließt, wird nicht für möglich halten,
einer HiFi-Anlage zu lauschen. Er unterliegt der Illusion, die Musiker hätten sich vor
ihm aufgebaut. Ein Phänomen, das selbst mit geringen Pegeln erhalten bleibt. Greifen wir
ein Hörbeispiel heraus. Im CD-Spieler Wadia 6 rotierte das Köln-Konzert mit Keith
Jarrett. Eine Aufnahme, die jeder STEREO-Redakteur seit Jahren gut kennt und schätzt. |
|
Gleich zweimal in der Campanile: Die
Frequenzweiche für die Baßmodule |
|
 |
Jarrett bearbeitet bei dieser Einspielung nicht
nur meisterhaft den Flügel, er stampft mit den Füssen und gibt fauchende Laute von sich.
Diese "Geräusche" können Sie auch mit mittelmäßigem HiFi orten. Aber da
haben sie keinen Bezug mehr zueinander, die innere Ordnung ist ge- oder gar zerstört. Mit
der Campanile bleibt genau die erhalten. Was beim Hören der Scheibe ebenfalls weitgehend
verborgen blieb, ist die Reaktion des Publikums.
 |
|
Das Herz des Ionenhochtöners: Die
Class-A-Verstärkerplatine |

Ohne Frontbespannung verliert die Campanile zwar ihren
Reiz, macht aber die Plazierung der jeweiligen Chassis erkennbar |
|
Über den Lautsprecher zeigt sich plötzlich,
daß es bei diesem Mitschnitt nicht stumm auf den Stühlen saß, sondern der Musik folgte,
sich emotional beteiligte und so wiederum Jarrett motivierte. Kommen wir
noch einmal zu den Schattenseiten des Lautsprechers, die eigentlich seine Stärken
ausmachen. Was für miese Elektronik gilt, hat für schlampig produzierte Software erst
recht Gültigkeit. Schallwandler mit eingeschränktem Auflösungsvermögen werden lieblos
zusammengemischte Musik noch halbwegs erträglich wiedergeben, die Campanile ist in diesem
Punkt eine unversöhnliche Diva. Sprich: Sie entlarvt gnadenlos Schludrigkeiten von
Toningenieuren und Tonmeistern, die aus Zeit- und Kostengründen oder weil sie einfach
nicht die Qualifikation besitzen, für schlechte CDs und Langspielplatten verantwortlich
zeichnen.
|
Fazit: STEREO hat bislang darauf verzichtet, Referenzgeräte zu
küren, die einige Monate darauf wiederum von anderen Highlights vom Thron gestoßen
werden. Diese Dramaturgie überlassen wir anderen. Wenn wir uns dennoch dazu entschlossen
haben, der Acapella Campanile den Status eines Arbeitsgerätes zu verleihen, hat das
einleuchtende Gründe. Mit diesem Schallwandler fällt es uns noch leichter, die Spreu vom
Weizen zu trennen. Was natürlich nicht bedeutet, daß wir nur noch die Campanile
einsetzen. Selbstverständlich werden wir günstige Elektronik ebenfalls mit
preisangemessenen Lautsprechern bewerten. Nur, wenn wir wirklich wissen wollen, wo eine
Komponente absolut steht, greifen wir zu Campanile. Davon profitieren Sie schließlich.
Und wir natürlich auch. Denn zum Musik hören kennen wir nichts Besseres.

Startseite
Zurück
|