Testsonderdruck Stereoplay 8/96Testsonderdruck "Stereoplay 8/96

Der Raum wirkt ehrfurchtgebietend. Eine Kultstätte, vielleicht das einzig wahre Mekka für wirklich großes High End in Deutschland. Wir sind die Pilger und erwarten die Gurus. Und mit ihnen ein Erlebnis, das sich beim besten Willen kaum in die offiziellen Hörräume in Stuttgart zwingen ließe. So etwas wie die Formel 1 der High Fidelity? Mehr! Für die Ferraris, Williams und McLarens reichen die hauseigenen Rennstrecken, aber was wir bei Acapella genießen wollen, überfordert das heimische Domizil. Um dieses audiophile Ereignis in Stuttgart standesgemäß zu inszenieren, müßten wir, um im Bild zu bleiben, erst breiteste Bahnen asphaltieren – für Geschosse mit Raketenmotoren.

Vor uns steht das Triolon in Vollausstattung. Die Antwort der Duisburger Schmiede auf all die übermannshohen Traumlautsprecher mit sechsstelligen Preisschildern, all die Wilsons, Genesis’ oder jüngst Avalons.

Blaues Wunder

Acapella Triolon ohne Zusatzbezeichnung bedeutet in der Hierarchie einer der ältesten HiFi-Manufakturen dieser Republik: Nicht bloß schwere, aber immerhin noch mit gehörig Muskelkraft zu stemmende Lautsprecher anbieten. Sondern den immobilen Gipfel besteigen: ein gemauertes Horn, deckenhoch und über alles rund vier Meter breit. Komplett mit Triolon-Satelliten kommt es um die 142 000 Mark teuer zu stehen.

Deutschlands
immobiler
Hifi-Gipfel

Den Mindest-Hörabstand zum Gesamtsystem eingerechnet, sitzen wir die Kleinigkeit von sechs Metern von der Wand entfernt vor einem der aufregendsten Schallwandler aller Zeiten. Das Werk schufen Alfred Rudolph (53) und Hermann Winters (43). Die beiden Herren schrieben mit die wichtigsten Kapitel der deutschen High-End-Geschichte, ihr Audioforum in Duisburg ist Hohe Schule und Weiterbildungsinstitut der deutschen High-End-Szene. Namhafte Entwickler von heute saßen hier noch vorgestern, hingen Alfred Rudolph an den Lippen und ließen sich von ihm erklären, wie Boxen eigentlich funktionieren. Viele schmissen daraufhin ihren Job, um künftig ihre Brötchen mit HiFi zu verdienen. Das Audioforum ist eine Keimzelle, in der der HiFi-Bazillus prächtig gedieh. Und er ist Konzertsaal.

Die Rolling Stones stehen auf dem Programm. "Was wollt ihr hören?" Für den Anfang vielleicht eine Ballade, "Love In Vain" käme gut. Keith Richards und Ron Wood schultern die Gitarren, Mick Jagger greift sich das Mikro, Charlie nimmt auf einem Schemel vor seinem Schlagzeug Platz, und der fünfte im Bunde, neuerdings ein gewisser Daryl Jones, zupft den E-Baß. "Love In Vain", live, und nur für uns. Schön wär’s, doch leider rnüssen wir uns mit der Illusion begnügen. Mit einer, die unsere Ohren erreicht und unsere Herzen bewegt. Völlig mühelos fließt die Musik der exzellent produzierten LP "Stripped" (Virgin) durchs Audioforum. Sind wir mit dem Begriff "High End" in der Vergangenheit womöglich allzu großzügig umgegangen? Was wir hier hören hat wenig gemein mit den Vorstellungen kleiner feiner Anlagen, die lediglich ein Bild der Wirklichkeit an die akustische Wand werfen. Zumindest müssen wir uns fragen, ob wir unseren Wortschatz nicht erweitern sollten. So etwas wie "High End extrem" oder wenigstens "Highest End" geistert durch unsere Köpfe.

Acapella Triolon im Audio Forum Duisburg

Dabei stehen Hornsysteme nicht unbedingt im Ruf letzter audiophiler Weis- und Wahrheit. Hörner spielen aufgrund ihres gesponserten Wirkungsgrads "laut", begnügen sich demzufolge mit schwachen Verstärkerlein und verfärben ohne Ende. Genauso ist das. Die Defizite fragwürdig berechneter Hornsysteme sind nicht von der Hand zu weisen. Aber die prinzipiellen Vorteile der Trichter gewiß ebensowenig.

Und wenn Entwickler ihre Hausaufgaben erledigen, gewinnen die sogar die Oberhand. Nicht nur die exakte Berechnung des Horns, auch Materialeinsatz und Verarbeitungsqualität zählen. Drei Tugenden, die die Duisburger Traditionsschmiede auszeichnen. So erfanden sie Ende der 70er Jahre die "sphärische" Hornfunktion. Im Gegensatz zu konventionellen Exponentialhörnern, die extrem bündeln und von einer planen Schallfront ausgehen, strahlen sphärische Hörner halbkugelförmig, verhalten sich also fast wie klassische Kalotten. Auf der Habenseite verbucht dieses Prinzip ein ordentliches Rundstrahlverhalten, geopfert wird lediglich ein verschrnerzbares Quantum Wirkungsgrad. Außer im Hochtonspektrum werkeln hinter den sphärischen Trichtern herkömmliche Chassis. In den Mitten Spezialanfertigungen von Dynaudio, im oberen Baß verrichten Seas-Treiber ihre Dienste, und in der Variante mit gemauerter Stützmauer schuften zwei 46er Chassis. Die luftigen Höhen, also die Frequenzen jenseits 5 Kilohertz., managt der hauseigene Ionenhochtöner TW 1.

Ein extrem aufwendiges Bauteil, das nur wenige Hersteller ihren Lautsprechern gönnen und noch weniger bauen können – aktuell zwei. Der Ionenhochtöner ist keine Erfindung unserer Tage, das Telefunken-Patent datiert aus den 20er Jahren. Prinzipiell erzeugen Wandler dieser Spezialgattung Schall ganz ohne bewegte Masse, indem sie mittels eines pulsierenden Lichtbogens Luft ionisieren. Dahinter steckt eine mehr (Acapella) oder minder (Corona von Otto Braun) aufwendige HF-Schaltung.

Geöffneter Ionenhochtöner

Eine feine Sache, wenn dieses Verfahren nicht einen unumstrittenen Haken hätte. Der Ionenhochtöner produziert nicht nur feinste Töne, als Abfallprodukt fällt halt stinkendes Ozon an. Hier zeigt Acapella wahre Überlegenheit: Ein kleines Keramikröhrchen unmittelbar vor dem Bronzehorn wirkt wie ein Katalysator und verhindert al solut zuverlässig den Austritt des umweltschädigenden Stoffes.

Rückansicht des Triolon Satelliten
Optimiert: Sowohl der Immens aufwendige Ionenhochtöner (links), der via heiße Luft Töne spuckt, als auch die übrigen modularen Baugruppen des Triolon lassen sich im Pegel perfekt an die jeweiligen Raumgegebenheiten anpassen.

Das Triolon blickt mittlerweile auf eine lange Geschichte zurück (siehe "Horn-Historie" auf Seite 12). Billig war es nie, um so mehr überrascht der kommerzielle Erfolg. Siebzig Kunden, listet Hermann Winters auf, gaben binnen der letzten zehn Jahre eine verbindliche Bestellung für das Dreihorn auf. Gefertigt wird ausschließlich nach Auftragseingang. Zu individuell seien die Kundenwünsche. Wer mehr als 100000 Mark ausgibt, verlangt beispielsweise zu Recht ein Furnier, das haargenau ins heimische Ambiente paßt.

Die elfjährige Produktionsdauer zwang die Triolon-Athleten zu ständiger Modifikation, doch das 96er Modell erfuhr eine grundlegende Überarbeitung. Der aktuellen Version verpaßten sie ein schmaleres Gehäuse; die ehemals obligatorische Bodenplatte, die dafür sorgte, daß die schräg hinaufragenden Satelliten nicht umkippten, fiel weg. Ein bombenfestes Gehäuse aus einem Blei/Holz/Filz-Sandwich garantiert ein hohes Maß Resonanzarmut. Neue Chassis hinter allen Hörnern sowie total frisch gestrickte, silberverdrahtete Frequenzweichen bedeuten unterm Strich: Strenggenommen ist das Triolon ’96 ein neuer Schallwandler, der bis auf seine charakteristische Form nichts mehr mit seinem Urahn gemein hat.

Bevor wir die Allgewalt des großen Triolon mit gemauertem Horn erfuhren, überprüften wir die zivile Variante Triolon Delta. Die Satelliten sind identisch; das Frequenzband zwischen 35 und 150 Hertz verantworten in dieser Version zwei schlanke Baßsäulen mit je vier 26er Seas-Chassis. Klassisch dynamisch ohne Hornunterstützung. Eine halbe Sache? 

Mitnichten.

Das Triolon Delta scheute keinen Vergleich zu den weltbesten Lautsprechern des Erdballs, wohl aber den bei Stereoplay gewohnten. Womit, bitteschön, hätten wir die Klangoffenbarung vergleichen sollen? Mit Boxen, die gerade mal ein Zehntel kosten? Wie sollte die Eingruppierung in die Rang & Namen-Liste aussehen: vielleicht Absolute Spitzenklasse + 10? Doch bevor der Jubel ins Unermeßliche abdriftet und Leser Lebensversicherungen auflösen, um leerstehende Fabrikhallen für die Triolon Delta anzumieten, ein paar würzende Spritzer Kritik.

Die 96er Variante des Triolon Delta spielt zweifellos zeitrichtiger als ihr namensgleicher Vorgänger, wirkt dadurch spritziger und konturierter. Aber: Allerfeinste dynamische Verästelungen, mikroskopisch winzige Informationen, die beispielsweise eine menschliche Stimme noch leichter identifizieren helfen, schliff das Triolon Delta ein wenig rund. Einen Hauch Hornklang können wir ebenfalls nicht wegdiskutieren; ihn als "Verfärbung" zu brandmarken, ginge indes zu weit.

Triolon ist
High End in
Höchstform

Geöffneter Triolon Hornbaß
Freigelegt: Zwei ausschließlich für Acapella aufgelegte 46er Spezialchassis erzeugen dank Hon-Unterstützung konturierte Subbässe mit enormem Pegel.

Schon das "abgespeckte" Triolon bescherte Faszination in Reinkultur. Der pure Wahnsinn, wenn Vollverstärker mit einer Ausbeute von gerade mal 50 Watt pro Kanal Pegel erzeugen, die mächtigste Boliden an konventionellen Lautsprechern nur im nervtötenden Clipping realisieren – wenn überhaupt. Aber weshalb sich in Leistungsbescheidenheit üben? Mit einem Verstärker wie dem legendären Burmester 909 (Absolute Spitzenklasse I, Referenz) demonstriert das wirkungsgradstarke Triolon Delta, daß Leistung durch nichts zu ersetzen ist, es sei denn durch noch mehr Leistung.

Nach ein paar Stunden Triolon Delta fällt es Zuhörern schwer, sich eine Steigerung auszumalen. Klänge lassen sich nicht hochrechnen, nur die praktische Erfahrung zählt. Wenn der Autor Kollegen, die den Acapella-Sessions nicht beiwohnen konnten, vom Volltriolon mit Mauerbaß vorschwärmt, krempelt er zum Beweis kurz die Hemdsärmel hoch. "Siehst du, ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich an die Geschichte im Audioforum denke." Denn mit der Triolon setzen Rudolph und Co dem Boxenbau die Krone auf. Sie ist der Delta-Konfiguration aus zwei gewichtigen Gründen haushoch überlegen.

Erstens folgt das Horn im Baß mit einer Austrittsöffnung von über sieben Quadratmetern der gleichen Kugelwellenfunktion. Somit spielt zusammen, was zusammen gehört. Die geringfügigen Verschleifungen im Mittelhochtonspektrum sind wie weggeblasen. Jetzt erschallen insbesondere ausgebildete Stimmen noch näher am Original, beängstigend realitätsnah sogar.

Zweitens steigt der Wirkungsgrad von 98 auf 100 dB. Herzlich willkommen sind nun auch Leistungszwerge im Röhrendesign. Denen ging selbst bei gehöriger Lautstärke nicht die Puste aus. Mehr als 25 Watt vermag beispielsweise die Unison Absolute nicht aus ihren 845-Glaskolben zu kitzeln. Über den Klang des italienischen Vollverstärkers wollen wir uns hier nicht auslassen, aber ein Symphonieorchester in Hundertschafts-Stärke kam schon reichlich realistisch ’rüber.

Von uns aus bestehen keine Bedenken: Schauen Sie sich im Immobilienteil Ihrer Zeitung ruhig mal nach brachliegenden Werkshallen um. Die gibt’s aktuell wirklich günstig.

Joachim Pfeiffer

 Zurück | Startseite

 Horn-Historie

1981 überraschten Winters und Rudolph mit dem Mega-Lautsprecher Sphäron. Gegenüber dem Triolon strotzte dieses System gleich mit den doppelten Abmessungen. Modifiziert wird der Gigant auch heute noch angeboten.Das Sphäron ist der Vater der großen Acapella-Hörner.
1985 kam das Triolon. Anfänglich mit fester Bodenplatte und etwas "pummeliger".
1986 folgte das bislang aufwendigste Triolon mit Satelliten im Travertingehäuse und "betoniertem" Baß.
1991präsentierte die Manufaktur als Option die erste Delta-Variante mit je zwei 26er Chassis anläßlich der Internationalen Funkausstellung in Berlin.
1994 führte Acapella das aktuelle Delta-Baßmodul mit vier Treibern je Säule ein.
1996 erfuhr das gesamte Triolon-Set eine grundlegende Überarbeitung. Auf Wunsch und gegen Aufpreis übernimmt Entwickler Alfred Rudolph die oft mehrtägige Feinjustage des Triolon beim Kunden.