Wie die Posaunen von
Jericho
High-End-Offenbarungen in einem Mainzer Möbelhaus / Hornlautsprecher Violoncello in
Concert
Frankfurter Allgemeine Zeitung
8. September 1998
Die Zahl der Hörtests, die ein Fachjournalist für Unterhaltungselektronik
im Verlauf eines Berufslebens absolviert, läßt sich in Ziffern nicht präzise fassen.
Aber es gibt eine Handvoll Erlebnisse mit elektroakustischen Gerätschaften, die
dauerhaft in Erinnerung bleiben. Eine dieser Erfahrungen ist mit dem Namen Alfred
Rudolph und seiner Edelmarke A Capella verbunden. Der Duisburger Konstrukteur
von Lautsprechern der Güteklasse High End hat mit einem Triolon genannten Bauwerk
die mächtigste Horn-Konstruktion der gesamten HiFi-Welt geschaffen, eine Apparatur.
die man nicht einfach in einem Wohnzimmer aufstellt, sondern um die man den Hörraum
am besten herumbaut. Die dynamische Urgewalt eines solchen Lautsprechers läßt
sich mit bescheideneren Mitteln gewiß nicht darstellen. Aber auch diesseits des
Overkills gilt es Apparaturen von Stand, die mächtige Orchester- Tutti oder auch
veritable Rock-Gewitter nicht einfach nur mit angemessenem, originalgetreuem Volumen
erzeugen. sondern stets auch mit der Geste des Beiläufigen, Unangestrengten und
Selbstverständlichen, mit einer Souveränität eben, die für große Hornkonstruktionen
als typisch bekannt ist. In ziemlich ungewohnter Umgebung hatten wir kürzlich
Gelegenheit, ein beinahe handliches, nur 220 Zentimeter hohes Bauwerk Rudolphscher
Provenienz zu begutachten, das sich genregerecht, aber mit einem Anflug von Understatement
Violoncello nennt und das keineswegs zufällig in mancher Hinsicht
an das genannte Urerlebnis erinnert. Aber der Reihe nach. Die schlanken, nur etwa
40 Zentimeter breiten Klangsäulen haben einen dekorativen seitlichen Ausleger,
der aus einem sphärisch geformten, im Durchmesser etwa 50 Zentimeter großen Horn
die mittleren Frequenzen entlä8t. Den Oberton-Part bestreitet das zweite Horn,
ein Schalltrichter aus goldglänzender, schwerer Bronze, in dessen Mitte ein winziger
Lichtbogen glimmt. Er funktioniert ganz ohne Membran, einfach nur durch die Modulation
von ein paar Kubikmillimeter heißer, ionisierter Luft. Ein spezieller, eingebauter
Röhrenverstärker führt diesem Aggregat die benötigte Hochspannung zu. Für die
tiefen Töne gibt es in dem Lautsprecher ausnahmsweise kein Horn mit Rücksicht
auf die angestrebten irdischen Dimensionen des gesamten Bauwerks. Rudolph montierte
einfach zwei Baßreflex- Gehäuse übereinander. Die
gesamte Konstruktion ist schon theoretisch interessant, weil sich hier verschiedene
Philosophien treffen. Das Horn-Prinzip steht für Wirkungsgrad eben für
ungebremste Dynamik. Das Baßreflex- Prinzip tendiert, wenn auch nicht ganz so
konsequent, in dieselbe Richtung. Der Ionen-Wandler dagegen steht für unvergleichlich
schnelle und präzise Nachbildung filigraner Musiksignale eine vielversprechende
Mischung. Nicht minder interessant war die gesamte Anlagenkonfiguration, in der
wir die Violoncelli hörten. Als Leistungslieferanten fungierten die legendären
Röhren-Endstufen Jadis JA 200, traumhaft schöne Monoblöcke aus Frankreich, die
jeweils mit zehn Pentoden um 160 Watt in der extrem verzerrungsarmen Klasse-A-Technik
lockermachen und die mit separaten, nicht minder opulenten Netzteilen antreten.
Ein kongenialer Röhren-Vorverstärker namens Jadis JP 80 diente als Schaltzentrale,
und die Rolle der Musiklieferanten spielten das mächtige, auf Federbeinen ruhende
CD-Laufwerk Jadis JD 2 mit dem passenden Digital-Analog-Wandler JS2 DAC und der
bewährte Analog-Plattenspieler Linn SP 12 mit dem Tonabnehmer Troika. Eine ganze
Reihe anspruchsvoller Accessoires, von aufwendigen Netzfiltern bis zu mechanischen
Schwingungsdämpfern, diente weiterer Klangverfeinerung. Der Gesamtpreis dieser
Anlage liegt, einschließ1ich spezieller Lautsprecherkabel aus reinem Silber, bei
unbescheidenen 180 000 Mark. Wer sich nur für die Violoncellos interessiert, kann
angesichts dieser Bilanz aufatmen: Sie sind schon, je nach Detail-Ausstattung,
zu Preisen von 42000 Mark an zu haben. In der beschriebenen Zusammenstellung jedenfalls
fanden die Lautsprecher Arbeitsbedingungen, die ihnen die Entfaltung ihres gesamten,
höchst eindrucksvollen Repertoires erlaubten. Daß die Violoncello-Säulen mit geradezu
ansteckendem Temperament, unbändiger Spielfreude und Kraft zur Sache gingen, hat
uns natürlich begeistert, aber eigentlich kaum überrascht. Wirklich beeindruckt
waren wir von der unglaublichen Präzision, mit der die großen A-Capella-Lautsprecher
räumliche Dimensionen nachzeichneten, Instrumente in ihrer Größe definierten und
Solisten im Raum fixierten. Nicht minder überzeugend verstehen es diese Schallwandler,
Klangfarben in all ihren Nuancen zu entfalten: Ein Orchester stellt sich im Hörraum
als ein Kosmos fein differenzierter Klänge dar. Aber wie steht es mit kleineren
Ensembles, speziell mit Streichern? Kann sich ein Lautsprecher, dessen Äußeres
an die Posaunen von Jericho erinnert, wirklich jeglicher tonaler Parteinahme enthalten
und mit seinen Schalltrichtern eine zarte Violine akustisch exakt reproduzieren?
Das gehört in der Tat zu den allerschwierigsten Übungen eines Hornlautsprechers,
aber die Violoncellos der Name ist vielleicht doch Programm? lassen
keinen Zweifel. Sie halten sich streng an die Spielregeln, nicht einmal ein Anflug
von Verfärbungen ist ihnen nachzuweisen. In einem Punkt aber können sie ihre Natur
doch nicht so ganz verleugnen: Prinzipbedingt strahlen Hornlautsprecher den Schall
verhältnismäßig stark gerichtet ab. Sitzt man also in kurzer Distanz zu ihnen,
mu8 man sie zur Mitte hin anwinkeln, um einen natürlichen Klangeindruck zu erzielen.
Allerdings sind die Violoncellos keine Lautsprecher, denen man aus nächster Nähe
lauschen muß. Sie können mühelos großzügige Etagen beschallen und genau
das tun sie zur Zeit: Der Mainzer High-End-Fachhändler Klaus Münch hat sie aus
seinem Studio Klangspiel herausgeholt und mitsamt der beschriebenen Anlage im
Möbelhaus Raum ausgestellt. Wer immer dort nach neuen Teppichen, Schränken oder
Heimtextilien fahndet, kann so ganz nebenbei ein HiFi-Konzert der Extraklasse
genießen. Das Zuhören lohnt sich sogar, wenn der Einkaufszettel keinen Posten
der Sparte Inneneinrichtung aufweist. Selbst eine kleinere Anreise ist der Spaß
wert: Das Wohnstudio Raum liegt, das sei allen HiFi-Fans im Rhein-Main-Gebiet
verraten, nur ein paar Schritte vom Mainzer Hauptbahnhof entfernt.
WOLFGANG TUNZE
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